Live von der HCM7 Konferenz: Tag 1
31.03.08 (Allgemein, Astronomie, Spaß, Universitäten, Wissenschaft)
Der erste Tag des 7. Alexander von Humboldt Kolloquiums (HCM7) ist vorüber und es war wie erwartet sehr interessant. Die Konferenz wurde von einem Übersichtsvortrag von George Contopoulos (Griechische Akademie der Wissenschaften) eröffnet. Titel seines Vortrags war „Order and Chaos in Spiral Galaxies“(Ordnung und Chaos in Spiralgalaxien). Dieses Thema fand ich wirklich interessant – ich habe z.B. noch nicht gewusst, das chaotische Bewegung bei Spiralgalaxien so eine wichtige Rolle spielt. Bei Balkenspiralgalaxien sind mindestens 60% der Sternbahnen chaotisch – und diese chaotischen Bahnen sind sehr wichtig für die Herausbildung der Spiralarme. Anscheinend beeinflusst die Existenz eines Balkens in einer Spiralgalaxie die Dynamik der Sterne sehr stark. Die Zeitskalen, auf der diese chaotischen Prozesse ablaufen sind allerdings sehr lang (mehr als 10 Milliarden Jahre) – es ist also nicht damit zu rechnen, dass die Galaxien durch diese chaotischen Bewegungen in naher Zukunft zerstört werden. Aber es ist interessant zu wissen, dass Galaxien ihre wunderbaren Formen dem Chaos verdanken.
Der nächste Vortrag wurde von Ken Seidelmann (Universität Virginia, USA) gehalten; er sprach über „Time and Celestial Mechanics: Ptolemy to Today“ (Zeit und Himmelsmechanik: von Ptolemäus bis heute). Er gab dabei einen schönen Überblick über die Entwicklung der verschiedenen „Zeitarten“ – von der simplen, auf der Bewegung der Sonne basierenden Zeit bis zu den modernen auf der Oszillation von Atomen begründeten Zeitskala. Auch „neue“ Zeitskalen müssen vielleicht bald eingeführt werden: um die verschiedenen Marsmissionen zu koordinieren wird vielleicht bald eine eigene „Marszeit“ eingeführt. Am Schluß sprach er auch noch das „Problem“ der Schaltsekunden an, die von Zeit zu Zeit eingeschoben werden müssen. Anscheinend gibt es Bestrebungen einiger Länder, diese Schaltsekunden komplett abzuschaffen. Das würde der Industrie manche Dinge vereinfachen (auch bei finanziellen Transaktionen, die sekundengenau abgerechnet werden können Schaltsekunden zu Problemen führen) – aber die neu enstehenden Probleme wären viel größer: die NASA schätzt, dass es mindestens 2 Millionen Dollar kosten und 5 Jahre dauern würde, alle Computerprogramme entsprechend anzupassen (u.a. würde dann das GPS nicht mehr richtig funktionieren).
Der nächste Vortrag wurde von Sylvio Ferraz-Mello (Universität Sao Paulo, Brasilien) gehalten: „Tidal Friction in Satellites and Close-in Exoplanets“ (Gezeitenreibung bei Monden und Exoplaneten mit kurzer Umlaufzeit). Das Gezeiten eine wichtige Rolle auf der Erde spielen, ist offensichtlich. Aber auch in anderen Planetensystemen sind Gezeiten wichtig: viele der bekannten Exoplaneten haben sehr enge Orbits; sind also sehr nahe an ihrem Stern. Dadurch kann der Stern auch eine starke Gezeitenwirkung ausüben. Das führt zu „gezeitengebundenen“ Orbits – der Planet zeigt also immer mit der selben Seite zum Stern. Dadurch wird eine Seite des Planeten extrem aufgeheizt während die andere überhaupt keine abgekommt. Das Gezeiten sehr kompliziert sind, habe ich ja schon mal erklärt. Ferraz-Mello hat nun eine sehr alte Theorie der Gezeiten von Darwin aus dem Jahr 1880 (George Darwin, nicht Charles 😉 ) neu überarbeitet um die verschiedenen Gezeiteneffekte besser beschreiben zu können.
Anne Lemaitre (Universität Namur, Belgien) hat den nächsten Vortrag zum Thema „Secondary Resonances in Geostationary Orbits for Space Debris with high A/m“ (Sekundäre Resonanzen in geostationären Orbits von Weltraummüll mit hohem A/m Verhältnis) gehalten. Dabei ging es um die Bewegung des reichlich vorhandenen Weltraummülls: es existieren mindestens 15000 Objekte größer als 10 cm und mehr als 350000 Objekte größer als 1 cm die die Erde umkreisen. Anne Lemaitre hat sich mit der Dynamik solcher Objekte beschäftigt. Haben diese nämlich ein hohes A/m Verhältnis (A: Fläche, m: Masse), dann spielt für diese Bruchstücke neben der Gravitation auch der Strahlungsdruck der Sonne eine wichtige Rolle. Lemaitre hat nun untersucht, in welchen Bereichen die Bewegung dieser Bruchstücke stabil ist und wo sie chaotisch abläuft.
Der letzte Vortrag vor der Mittagspause wurde von Dimitri Veras (Universität Florida, USA) gehalten und war sehr technisch („Characterizing Resonant Depth through Multiple Librating Angles“); ebenso der erste Vortrag nach der Mittagspause von George Voyatzis (Universität Thessaloniki, Griechenland) zum Thema „Asymmetric periodic orbits and stability domains in the planetary three body problem“. Beide Vorträge wären zu kompliziert um sie hier kurz zu erklären – darum gehe ich gleich weiter zum nächsten Votrag.
Der wurde von Elke Pilat-Lohinger (Universität Wien) gehalten und beschäftigte sich mit extrasolaren Planeten: „Earth-like planets in multi-planetary systems similiar to the Solar system“ (Erdähnliche Planeten in Mehrfachplanetensystemen die dem Sonnensystem ähneln). Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Entdeckung eines extrasolaren Planetensystems, bei dem 2 Planeten entdeckt wurden, die sich auch sehr ähnlichen Bahnen bewegen wie Jupiter und Saturn in unserem Sonnensystem. Der „Exosaturn“ hat allerdings eine sehr große Bahnneigung: 58 Grad. In unserem Sonnensystem befinden sich die Planeten alle mehr oder weniger in einer Ebene – in diesem extrasolaren System war das also komplett anders. Die Frage war nun, wie sich das auf eventuelle erdähnliche Planeten in diesem System auswirkt. Elke hat dazu den Einfluss der Bahnneigung auf die Stabilität des Planetensystems untersucht. Sie fand, das schon relativ geringe Neigungen von 10-20 Grad reichen, um das System chaotisch werden zu lassen. Hätte Saturn in unserem Sonnensystem eine Bahnneigung von 20 Grad, würde Mars aus dem Sonnensystem geworfen werden! Auch Saturn selbst würde instabil werden. Und bei Neigungen von mehr als 50 Grad würde Merkur, Venus und Mars instabil werden! Es ist also nicht damit zu rechnen, das in diesem extrasolaren Planetensystem noch zusätzliche erdähnliche Planeten zu finden sind.
Den letzten Vortrag des Tages hielt Rudolf Dvorak (Universität Wien), der Veranstalter der Tagung. Der Titel seines Vortrags lautete: „The Earth in Mean Motion Resonances“ (Resonanzen der mittleren Bewegung bei der Erde). Er untersuchte darin den Einfluss von sg. „mean-motion resonances“. Das bedeutet, das die Umlaufzeiten zweier Himmelskörper in einem ganzzahligen Verhältnis stehen. Die Erde und die Venus befinden sich ganz knapp nicht in so einem Verhältnis. Aber was würde passieren, wenn es doch so wäre? Das hat Rudi untersucht und gefunden, das Erde und Venus dann wesentlich größere Exzentrizitäten hätten (also nicht mehr kreisförmige Bahnen wie jetzt sondern viel „ovalere“ Orbits). Das könnte langfristig zu Instabilitäten führen oder sogar zu Kollisionen. Es würde reichen, wenn sich der Abstand der Erde zur Sonne um nur 2% verändert, um die Erde in so eine Resonanz zu treiben. Wir können als glücklich sein, dass die Erde genau die Bahn hat, die sie hat…
Danach gabs endlich Abendessen und Gelegenheit, in lockerer Runde über Wissenschaft zu reden bzw. alte Freunde wiederzutreffen:
01.04.08 um 11:50
Das hört sich ja richtig gemütlich an, so ein Astronomen-Treff 🙂
Ich nehme an, der wird natürlich komplett englisch ablaufen.
Du hast doch auch was vorbereitet oder? Wann hältst du deinen Vortrag?
Andylee
01.04.08 um 15:46
Live von der Konferenz: Himmelsmechaniker in Salzburg…
Während (fast) alle anderen Blogger sich auf der Re:publica o8 rumtreiben, ist der Astronom Florian Freistetter von Astrodicticum Simplex beim 7. Alexander von Humboldt Kolloquium für Himmelsmechanik in Salzburg. Anfängliche Befürchtungen, es gebe …
02.04.08 um 13:08
@Andylee: also „gemütlich“ ist wohl das falsche Wort für eine Konferenz. Ist schon auch bisschen anstrengend 😉 Aber es gibt auch „gemütliche“ Momente. Und natürlich läuft alles auf englisch ab – das ist in der Naturwissenschaft die übliche Sprache. Ich bin mit meinem Vortrag morgen Abend dran – bin schon gespannt, wies ankommt…